Die Durchführung der Kastration bei einem Hund widerspricht § 1 des Tierschutzgesetzes, da ohne vernünftigen Grund dem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden nicht zugefügt werden dürfen. Liegt für das Tier zusätzlich noch ein Narkose- oder Eingriffsrisiko vor, so verbietet sich ein solcher Eingriff ohnehin.

Autor: Birte Thomson

(Unnötige) Kastration von Hunden- eine Körperverletzung?

Von Jahr zu Jahr werden Stimmen gegen eine Kastration von Hunden lauter und sie nehmen enorm zu.

Viel zu schnell wird zum Skalpell gegriffen und für viele Hundehalter steht schon fest, bevor sie überhaupt den Hund ihres Herzens bei sich einziehen lassen, dass er/ sie auf jeden Fall kastriert wird.

Es gibt immer noch zu viele Tierärzte, die Hundehalter dahingehend beraten, dass die Fellfreunde aus verschiedenen Gründen kastriert werden. Sollten Sie, als Welpenbesitzer, gleich den Hinweis erhalten, ab wann Ihr Hund kastriert werden kann, laufen Sie! Und klar, man könnte auch unterstellen, der Tierarzt möge damit aussagen: „Spar schon mal!“

Aber es sind nicht nur unwissende Hundehalter, Tierärzte, auch Tierschutzvereine, Tierschutzorganisationen, private Tierschützer, die unverständlicherweise auf eine Kastration GRUNDSÄTZLICH bestehen (Ausnahmen bestätigen immer die Regel und manchmal ist es auch nötig!). Dieser Fakt ist gar nicht hinzunehmen und absolut undiskutabel. Ich persönlich kann nur jedem Nothundeinteressierten raten, sich nicht von den vertraglichen Vereinbarungen, die meist dahingehend lauten, dass der übernommene Hund in einer festgesetzten Frist (welch tierschutzwiderrechtlichen Forderungen!) zu kastrieren ist, was dann auch nachzuweisen ist, nicht einschüchtern zu lassen. Bei einem eventuell entstehenden Streitfall haben solche Klauseln vor Gericht keinen Bestand.

Urteil:
Kastration von Tierheim-Hunden

Wer einen Hund oder eine Katze aus dem Tierheim übernehmen will, muß sich oft in einem Vertrag verpflichten, das Tier kastrieren zu lassen. Der Überpopulation von Hunden und Katzen soll damit vorgebeugt werden. Eine derartige Vertragsklausel wurde durch das Amtsgericht Alzey für unwirksam erklärt. Die Durchführung der Kastration bei einem Hund widerspricht § 1 des Tierschutzgesetzes, da ohne vernünftigen Grund dem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden nicht zugefügt werden dürfen. Liegt für das Tier zusätzlich noch ein Narkose- oder Eingriffsrisiko vor, so verbietet sich ein solcher Eingriff ohnehin.
AG Alzey, AZ 22 C 903/95

Eine Kastration, liebe Leser, ohne medizinischen Grund, ist Körperverletzung!

Der Trend zu einer Kastration kam, wie kann es anders sein, als eine Art Sturmflut aus den USA nach Europa. Um die Tierpopulation unter Kontrolle zu halten, dem vermeintlichen Krebsrisiko vorzubeugen und auf Verhalten Einfluss nehmen zu können, meinte man, mit einer Kastration das ultimative Rezept gefunden zu haben. Aber werte Leserschaft, weit gefehlt!
Ich bin froh darüber, dass sich mehr und mehr Veterinäre, Verhaltensbiologen, Zoologen und Experten zu Wort melden und endlich auch in der Öffentlichkeit über die Gefahren und zu oft unnötigen Kastrationen von Hunden aufklären. Wir Hundehalter, die strikt gegen eine Kastration waren und sind, bildeten in diesem Thema ja schon eine Randgruppe und zählten fast zu den Exoten in der Hundehalterszene.

Gehen wir nun aber mal auf das Thema näher ein.
Was sind die allgemeinen Gründe, sich für eine Kastration zu entscheiden oder sich entschieden zu haben?

1. Prophylaxe verschiedener Erkrankungen
2. Verhaltensmedizinische oder allgemeine Verhaltensprobleme

3. Vereinfachte Hundehaltung

Frühkastration:

Eine Frühkastration bedeutet, dass eine der entwicklungswichtigen Hormonquellen entfernt wird. Eine Entfernung dieser BEVOR der Körper und das Verhalten des Hundes überhaupt ausgereift sind.

Viele Tierärzte raten zu einer Frühkastration, die durchgeführt werden solle, bevor der Vierbeiner das erste Lebensjahr erreicht. Bei Hündinnen wird sogar dazu geraten, noch vor der ersten Läufigkeit zu kastrieren, um Brustkrebs vorzubeugen; die meisten Hündinnen jedoch werden nach der ersten Läufigkeit kastriert.

Viele Veterinäre schlugen und schlagen Alarm, werden aber noch nicht in die erste Reihe gelassen. Dabei sind aber für wirklich Interessierte anhand von Studien und Untersuchungen einschlägige Informationen zu erhalten.

Schauen wir uns hierzu die Studie von Benjamin L. Hart an.
(Veterinärmedizinische Universität von Kalifornien in Davis)
(Studie: Neutering Dogs: Effects on Joint Disorders and cancers in Golden Retrievers)

Hart hat zusammen mit seinem Team anhand eines Datensatzes von 759 Retrivern nachgewiesen, dass eine Frühkastration

1. Nicht vor Krebs schützt
2. Hunde vermehrt zu Gesundheitsproblemen neigen

Zudem konnte er folgende Aussagen treffen:

  •  Doppelt so viele frühkastrierte Rüden leiden unter einer HD als intakte Rüden
  • Hunde haben nach Kastration vermehrt Probleme mit der kranialen Kreuzbandzerrung
  • Nach einer Kastration wird drei mal häufiger Lymphdrüsenkrebs diagnostiziert
  • Mastzellenkrebs wurde unter den zur Studie erhobenen Datensätzen bei intakten Hündinnen NICHT festgestellt, dafür aber 6 % bei Hündinnen, die nach Vollenden des ersten Lebensjahres kastriert wurden.
  • HSA (ein Blutgefäßkrebs) trat bei Hündinnen häufiger auf als bei intakten Hündinnen.

Für mehr Informationen lesen Sie in der Studie.

Alarmierend im Zusammenhang der Frühkastration ist die Aussage von Hart, Verhaltensforscher mit medizinischem Hintergrund:

„Geschlechtshormone wirken sich auf die Entwicklung aus. Wenn diese Hormone entfernt werden, verknöchern die Wachstumsplatten, die für den richtigen Knochenbau sorgen, nicht richtig. Dadurch werden Gelenkserkrankungen gefördert.“

Warum aber gerade bei Hündinnen vermehrt Krebserkrankungen nach einer Kastration diagnostiziert werden, kann nach heutigem Stand noch nicht ganz geklärt werden. Wahrscheinlich aber scheint zu sein, dass das Östrogen, das weibliche Geschlechtshormon, wohl vor bestimmten Krebserkrankungen schützt. Durch eine Kastration werden die Östrogene nicht produziert und somit könnte auch das Risiko, an bestimmten Krebsarten zu erkranken, steigen.

Eine weitere und bislang auch umfangreichste Arbeit in Form einer Studie, lieferte die Tiermedizinerin Christine Zink. Diese Studie wurde im Journal of the American Veterinary Medical Association  veröffentlicht unter dem Titel :

Evaluation of the risk and age of onset of cancer and behavioral disorders in gonadectomized Vizslas

Dieser Studie liegen die entsprechenden Untersuchungen und Auswertungen von 2505 Jagdhunden der ungarischen Rasse Viszla zugrunde.

Die Ergebnisse dieser Studie sind niederschmetternd.

Kastrierte Hunde, gleich ob Rüde oder Hündin, sind durch eine Kastration durch ein erhöhtes Risiko an bestimmten Krebsarten zu erkranken, aufgefallen.

Dazu gehören:

  • Mastzellentumore
  • Hämangiosarkom (Milztumor)
  • Lymphsarkom

In Bezug auf Verhaltensstörungen werden von Frau Zink zum Beispiel die Unsicherheit, Angst bei Gewitter belegt.

Wie ich schon eingangs schrieb, werden es mehr und mehr Veterinäre, Verhaltensforscher, die sich öffentlich zum Thema Kastration äußern. Neben Ben Hart, Christine Zink, auch beispielsweise Kurt Kotrschal, Zoologe an der Uni Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle, so wie auch der deutsche Tierarzt Ralph Rückert, der in seinem Blog über genau diese Studien und neusten Erkenntnisse schrieb.

Neben den „Mutigen“, den mit der Zeit Gehenden, den nicht Augen – Verschließenden und den, die offen für neue Erkenntnisse sind, die mit Sicherheit nicht nur Beifall von den Kollegen ernten, gibt es aber doch täglich mehr und mehr Einsichtige und „Dienstleister“ an den Hund, die einlenken und auf die Gefahren einer Kastration nicht nur hinweisen, sondern aus gegebenen Erkenntnissen eine solche ohne medizinischen Grund ablehnen.

Welche Erkenntnisse aber haben denn Tierärzte heute und worauf sollten Hundehalter hingewiesen werden? Und welche „Nebenwirkungen“ können Kastrationen zu Folge haben?

Wie ist das Verhältnis zwischen Nach- und Vorteil einer Kastration?

Hündinnen:
• Inkontinenz: Viele Hündinnen leiden nach einer Kastration unter Harninkontinenz. Halter stehen dem ratlos gegenüber und werden wiederum um medizinische Hilfe bitten (müssen).

• Übergewicht: Viele Hündinnen neigen nach einer Kastration unter Fettleibigkeit. Halter sind in Fragen zur Ernährung ge –und überfordert. Oft werden sie angehalten, zu kostenintensiven Futter zu greifen und nicht ausreichend geschult. Viele Dinge, welche die Hündin im Vorfeld genießen durfte und wollte, fallen nun weg.

• Schilddrüsenunterfunktion: Die Hypothyreose beobachten Tierärzte meist nur an kastrierten Hunden.

• Fell: Nach einer Kastration verändert sich oft das Fell. Beobachten kann man das sogenannte Babyfell – typisch, aber nicht ausschließlich bei Hunden mit langem Fell. Dieses veränderte Fell nennt man auch Wollfell.

• Gesteigerte Aggression: Oft ist es der Testosteronüberschuss –überhang, der Hündinnen teilweise aggressiver machen kann. Auch wirken sie nicht selten maskuliner, irgendwie rüdenhafter.

Welche Vorteile stehen diesen Nachteilen denn aber entgegen?

• Die Läufigkeit bleibt aus
• Risikoreduzierung von Mammatumoren (Brustkrebs)
• Verhindern von Tumorbildung an Eierstock
• Verhindern von Vereiterungen an der Gebärmutter
• Verhindern hormonbedingter Stimmungsschwankungen bei Läufigkeit

Wie sieht es bei den Rüden aus?

Welche Nachteile bringt eine Kastration?

• Inkontinenz -→ ähnlich wie, aber seltener als (bei) Hündinnen
• Verändertes Fell -→ wie bei Hündinnen
• Übergewicht -→ wie bei Hündinnen
• Schilddrüsenunterfunktion -→ wie bei Hündinnen

Nun die Vorteile, die den Nachteilen entgegen stehen

• Verhindern von Hodentumoren
• Verhindern von möglichen Prostatavergrößerungen
• Verhindern von möglichen Prostatatumoren
• Verhindern von möglichen Perialtumoren

Viele Rüdenbesitzer erhoffen sich durch eine Kastration einen total sozialverträglichen, ausgeglichenen Rüden, der wenig Probleme hat und wenig Arbeit macht. (Wunschdenken!)

Warum aber wird nun von Seiten aufgeschlossener Tierärzte und Experten jetzt so mobil gegen eine unnötige Kastration gemacht?

Viele Studien und wissenschaftliche Untersuchungen ergaben, dass mit der Kastration zwar bestimmte Tumorbildungen verhindert werden können, aber das Risiko für das Auftreten anderer Krebsarten so drastisch und stetig steigt, dass man in der Tiermedizin ein Umdenken fordert.

Der Tierarzt Ralph Rückert schrieb zu diesem Thema:

„ Einer der wichtigsten Grundsätze der Medizin lautet; Nihil nocere! Niemals schaden! Für mich sieht es inzwischen so aus, als ob man einen Hund nicht mehr ohne strengste Indikationsstellung kastrieren könnte, ohne diesen Grundsatz zu verlieren.“

Diese Aussage sollte man sich gut durch den Kopf gehen lassen.

Es gibt wirklich viele Untersuchungen und Studien. Nimmt man alle zugrunde, werden noch mehr erschreckende Ergebnisse gegen eine Kastration sprechen.

Sie sind nun mit einigen Erkenntnissen vertraut gemacht worden. Dennoch, ich möchte an dieser Stelle nochmals einiges auflisten:

• Auftreten eines Osteosarkoms (Knochenkrebs)
• Erhöhtes Aufkommen von Tumorerkrankungen durch nicht mehr produzierte Geschlechtshormone
• ERHÖHTES Aufkommen von Prostatatumoren – entgegen dem Gedanken, durch die Kastration dieses zu verhindern.
• Anfälligeres Immunsystem
• Höhere Infektionsanfälligkeit
• Milztumore (durch eine Kastration erst GEFÖRDERT!)
• Orthopädische Erkrankungen wie zum Beispiel Kreuzbandriss, HD, möglicherweise auch Hüftgelenksarthrose
• Schilddrüsenunterfunktion
• Aber auch der Gedanke, dass durch eine Kastration bei Hündinnen die Bildung von Gesäugetumoren verhindert wird, hat sich nicht etablieren können und wurde widerlegt.

Fazit:

Eine Kastration sollte unbedingt immer nur eine medizinisch notwendige, letzte Hilfe sein. Einen Hund einfach so, weil man das eben so macht und weil man sich ein einfacheres Handling verspricht zu kastrieren, verstößt gegen das Tierschutzgesetz.

Viele Hundebesitzer, ja auch Tierärzte, wussten es bislang nicht besser.

Heute jedoch sind alle diese Informationen, wenn man sie sich wirklich einholen möchte, zugänglich. Es ist bei der Suche nach einem Tierarzt des Vertrauens auch zu prüfen, wie dieser aktuell informiert ist und wie er beispielsweise eben auch zu diesem Thema steht. Ich glaube nicht, dass Hundehalter das Leben, die Gesundheit ihres Hundes in die privaten Anschaffungen des Tierarztes investieren möchten.

Eine Alternative zur Kastration sehen nun viele im Hormonimplatat. Dazu in einem späteren Artikel.

Quellen:

Benjamin L. Hart: Neutering Dogs: Effects on Joint Disorders and cancers in Golden Retrievers

Christine Zink im Journal of the American Veterinary Medical Association unter dem Titel : Evaluation of the risk and age of onset of cancer and behavioral disorders in gonadectomized Vizslas

Kurt Kotrschal, Zoologe an der Uni Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle

Tierarzt Ralph Rückert 

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